[16.06.2023] Lyrischer Spaziergang mit Nâzım Hikmet

Über die Hälfte meines Gepäcks besteht aus Büchern. Antiquiert, gedruckt, schwer. Ich habe mich noch nicht überwunden zu elektronischen Ausgaben umzusteigen. Obwohl ich auch viel am Bildschirm lese, das Tagesgeschehen nur noch online verfolge, seit Kurzem auch eine Banking App habe, kann ich mich bei Büchern noch nicht überwinden. In wenigen Jahren wird das wahrscheinlich als romantischer Tick eingeordnet.

Eines der Bücher ist ein dünner Band von Nâzım Hikmet. Mit ihm mache ich heute eine lyrische Wanderung durch Hiroshima.

Ich frühstücke bei einer Coco’s Filiale in Naka-Ku, ein orangefarbener Roboter bringt mir meine Bestellung an den Tisch. Mit einem Knopfdruck am Tisch kommt der freundlicher Roboter wieder zum Abräumen. Mit kindlicher Freude schaue ich dem Roboter zu und dann verfliegt die Leichtigkeit beim Gedanken an eine Rede Shinzô Abes, in der er forderte, mehr Roboter statt Einwanderung und drei Kinder solle die japanische Frau gebären, um Japan voranzubringen.

wie man weint,

weint,
ohne es zu merken?
wie weint man,
ohne scham
offenkundig

regengleich?

Es ist eine ganze Weile her, dass ich auf Türkisch gelesen habe. Ich übersetze fast schon als Automatismus ins Deutsche. Dabei suche ich nach Formulierungen, verwerfe sie wieder und merke erneut, welch eine Kunst Übersetzung ist.

Gesättigt laufe ich erst etwas ziellos umher, lande dann bei dem Hiroshima Castle. Die Karpfenburg ist majestätisch. Wenn man es nicht wüsste, würde man nie erraten, dass das ursprüngliche Bauwerk, dass komplett aus Holz gebaut war, am 06. August 1945 vollständig zerstört wurde. Die tausendfachen Rekonstruktionen in Deutschland und in Japan lassen kaum erahnen, was an diesen Orten passierte, schaffen über das Platznehmen dieser Bauwerke die Illusion einer historischen Kontinuität entstehen. Die nachgeborenen Gebäude haben manchmal einen Hinweis, eine kleine Erinnerung, viel zu oft aber sind sie gedächtnislos.

liebste*r,
auf der wiese,
lass uns auf den knien sitzen,
von angesicht zu angesicht,
die luft ist köstlich und hell das morgenlicht
– aber der tag ist noch nicht erwärmt –
die rinde der mandel
trägt einen üppigen grünen pelz
noch zart
wir taumeln im glück
weil wir leben können.

Ich habe das Gefühl, dieses Mal bessere Worte gefunden zu haben. Ich überlege, ob Neid in mir aufkommt, wenn ich von einem anderen lese, was ich gern geschrieben hätte. Ich strenge mich an, eine ehrliche Antwort darauf zu finden. Es ist leider keine ja, nein Abfrage bei Gefühlen. Ich glaube, es ist in etwa so, dass ich mir selbst mehr Disziplin wünsche und mehr Zeit zu schreiben.

Was macht sie denn jetzt?
genau jetzt, in diesem Augenblick?
Vielleicht liegt ein Kätzchen auf ihrem Schoß,
das sie streichelt.
Vielleicht geht sie gerade, ist dabei ihren Fuss nach vorn zu setzen,
– der sie mir an jedem trübseligen Tag näher bringt
liebe, geliebte Füße!… –
Und woran denkt sie
an mich?
Oder
was weiß nicht, warum Bohnen ewig zum Kochen brauchen?
Oder warum die meisten Menschen
so unglücklich sind?

Ich laufe weiter zum Friedenspark. Seit ich in Hiroshima bin, kam ich fast jeden Tag hierhin. Ich setze mich in die Nähe der Friedens Gedenkhalle und schaue von da sowohl den Besucher*innen, die aus der Gedenkhalle als auch als dem Friedensmuseum rauskommen zu. Ich versuche in ihren Gesichtern abzulesen, was sie erlebt haben, was ihnen unter die Haut gegangen ist und was davon in ihren Haltungen und Handlungen vielleicht abzulesen sein wird.

Ich stehe an jeder Tür

Euren Augen kann ich mich nicht bemerkbar machen

Eure Augen können die Toten nicht sehen

Ich bin erst sieben Jahre alt und dennoch bin ich gestorben

In Hiroshima, vor langer Zeit

Ich bleibe ein sieben Jahre altes Mädchen

Verstorbene Kinder wachsen nicht mehr

Erst flammten meine Haare

Dann wurden meine Augen wurden versengt, verbrannten

Meine Knochen wurden zu einer handvoll Asche,

Vom Wind weggefegt

Für mich frage ich dich

Um Nichts

Kein Früchte, kein Reis

Nicht einmal ein Bonbon

Was kann ein Kind essen, das wie ein Stück Papier verbrannte?

Ich klopfe an eure Tür

Meine Dame, mein Herr, unterschreibt eine Petition

Kinder dürfen nicht getötet werden

Damit sie auch Bonbons essen können

Ich bin nicht zufrieden mit meiner Übersetzung. Wird die Beklemmung deutlich, die ich beim Lesen des türkischen Originals spüre? Wird es deutlich, dass sie auch an meiner Tür steht, an allen Türen und wir uns Zeit nehmen müssen, um ihre Stimme zu hören?

Das Leben verlangt es von uns. Denn das Leben ist kein Witz.

Veröffentlicht unter Midori

[02.05.2023] Hiroshima

Es gibt vieles, das ich über Hiroshima erzählen könnte.

Ich könnte über die Karpfenzucht schreiben (Hiroshima ist weltweit eines der wichtigsten Städte für Koi-Züchter*innen), über die in Landschaft gegossene Poesie des Shukkein Gartens, über die Ausstellungen des Hiroshima Art Museums von internationalem Format (neben vielen international bekannten japanischen Künstler*innen wie ASAI , KURODA, FUJISHIMA, KISHIDA, MAETA und HAYASHI finden sich DELACROIX, MILLET, BOUDIN, MANET, MONET, RENOIR, SISLEY, CÉZANNE, VAN GOGH, MATISSE, CHAGALL, PICASSO um nur einige Namen fallen zu lassen). Ich könnte über kulinarische Traditionen der Stadt (neben den berühmten Okonomiyaki warten auf Foodies unzählige Austerngerichte und leckere Zitronen-Udons) oder über die berühmten Töchter und Söhne der Stadt, wie etwa Issey Miyake. Ich könnte über die minimalistischen, skulpturhaften Designs Miyakes schreiben, die ihn zu einem der weltbekannten Modemacher machten, oder darüber, dass er als Siebenjähriger zur Schule radelte, als das US-Militär die Atombombe auf die Stadt abwarf.

Hiroshima.

Ich glaube kaum jemand in Deutschland hört den Namen dieser Stadt und denkt nicht im selben Atemzug an die Atombombe. Bevor ich nach Hiroshima kam, führte ich eine Umfrage über meine Social Media Kanäle durch. “Was fällt euch zu Hiroshima ein?“, war die leitende Frage. So unterschiedlich die gesellschaftliche Positionierung der Teilnehmenden war, so identisch fielen die Antworten aus. Die Websuche mit deutschen, englischen, spanischen und türkischen Stichwörter lieferte das gleiche Ergebnis. Hiroshimas und auch Nagasakis Wahrnehmung ist in der Gegenwart weiterhin mit dem Abwurf der Atomwaffen eng verbunden.

Zurück zu Issey Miyake. Die Mutter des Designers starb wenige Jahre nach dem Atombombenabwurf an den Folgen der radioaktiven Strahlung. Viele weitere seiner Familienmitglieder starben in den Jahren darauf an Krebs. Wenn man die Opferzahlen der Atombombe auf Hiroshima recherchiert, stößt man häufig auf 140.000. Die Zahl bezieht sich aber lediglich auf die Todeszahlen zwischen dem 6. August 1945 um 8:15 Uhr bis zum Ende des Jahres 1945. Die meisten davon starben unmittelbar durch die Detonationswelle der Bombe, die rund 80 % der Stadt zerstörte. Nur eine Sekunde nach der Detonation entstand ein Feuerball mit einem Radius von 22 Metern. Mit einer Oberflächentemperatur von bis zu 8000 Grad Celsius verbrannte er Menschen, Tiere, Pflanzenwelt in einem Umkreis von 3,5 Kilometern. Die Menschen, die außerhalb des Hypozentrums an den Folgen der radioaktiven Verstrahlung starben, sind mehr als lückenhaft erfasst. Allgemein ist die Definition, wer zu den Opfern der Atombombe zählt (japanisch Hibakusha) absolut willkürlich. Menschen, die außerhalb eines behördlich sehr eng gezogenen Rahmens von der radioaktiven Verstrahlung betroffen waren, werden nicht hinzugezählt.

Nach den Explosionen der Atombomben fiel ein schwarzer, ölig-klebriger Regen auf Hiroshima und Nagasaki nieder. Große, geschwärzte Wassermassen mit radioaktivem Material, die bei Kontakt mit der Haut Schmerzen auslösten, regneten weit über die behördlich festgelegten Zonen hinaus auf die Menschen hinab. Der schwarze Regen (kuroi ame) vergiftete Menschen, Tiere, verunreinigte die Wasserversorgung, sickerte in den Erdboden ein. Menschen, die in der Folgezeit Krebs und andere Folgekrankheiten bekamen, wurden nicht als Opfer der Atombombe anerkannt. Sie erhielten keine kostenlose medizinische Hilfe. Im Gegenteil, sie wurden von Menschen, die nichts mehr von der Bombe wissen wollten, als „faule Betrüger“ behandelt. Der Hannoveraner Fotograf Thomas Damm hat explizit zu dem Stigma der kuroi ame hibakusha eine großartige Arbeit erstellt, die weiterhin auf seiner Website zu sehen ist.

Der Krieg und insbesondere die Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki haben viele Familien von heute auf morgen auseinandergerissen. Für die Hibakusha wurde der Aufbau neuer menschlicher Bindungen massiv erschwert durch die Ungewissheit über die Folgen und die Reichweite der radioaktiven Verletzungen ihrer Körper. Sie fanden nur schwer eine Arbeit oder Partnerschaften, der Staat leistete mangelhafte gesundheitliche Fürsorge. Stattdessen wurden sie vom US-Militär und US-Ärzt*innen bis 1975 angeschaut, fotografiert, vermessen. Die Opfer der Atombombe und die Weltöffentlichkeit gingen davon aus, dass die US-Amerikaner die Überlebenden behandeln würden, aber diese waren lediglich an den Kurz- und Langzeitfolgen der nuklearen Strahlung interessiert, ohne die Verletzungen der Menschen zu behandeln. Ab 1948 begann das japanische Gesundheitsministerium mit den US-Amerikanern zusammenzuarbeiten. Die Entschuldigung für den Umgang mit den Hibakusha kam von der japanischen Forschungsstiftung für Strahlenwirkung (RERF) erst im Jahr 2017: „Wir haben nicht daran gedacht, dass wir eine Beziehung zu unseren menschlichen Forschungsobjekten hätten aufbauen müssen“, sagte der Präsident der Forschungsstiftung.

Die Hibakushas tragen die Folgen des Atombombeneinsatzes der USA bis in die Gegenwart in ihrem Körper und ihrer Seele. Ihr Kampf um Anerkennung hat bis heute kein Ende. Sie erhalten nur Fürsorgeleistungen, wenn sie an elf festgelegten Krankheiten leiden, die sich wiederum eindeutig auf die radioaktive Verstrahlung zurückführen lassen müssen, was selten eindeutig gelingt. Wer die Atombomben außerhalb willkürlich festgelegter Gebiete überlebte, erhält keine Fürsorge, selbst dann nicht, wenn eindeutig die Folgen von radioaktiver Verstrahlung nachweisbar sind.

Miyake hatte Glück im Unglück. Er befand sich ausreichend weit weg vom Hypozentrum. Dennoch erlitt er eine Knochenmark-Erkrankung, aufgrund welcher er sein Leben lang hinkte und sich von seinem Traum, Tänzer zu werden, verabschieden musste. Interessant ist, dass Miyake über sein Leben nach dem Atombombenangriff und die Zeit der US-Militärbesatzung schwieg bis er 71 Jahre alt wurde. Was auch immer seine individuellen Gründe waren, viele andere Überlebende der Atombombe schwiegen ebenfalls. Sie befürchteten soziale Ächtung und Isolation. Andere, die gerade in den ersten Jahren sprechen wollten, durften es nicht. Zehn Jahre lang, hatte die US-Militärbesatzung den Überlebenden verboten, über ihre Verletzungen in der Öffentlichkeit zu sprechen. Zehn leere Jahre des Entsetzens. Die USA kontrollierte die Presse und zenzierte jegliche kritische Berichterstattung. Und später störte der Anblick der Hibakushas- als lebende Mahnmale – die Doktrin eines nach vorn gerichteten, aufstrebenden Landes, das so schnell wie möglich wirtschaftlich auf die Beine kommen wollte. Gleichzeitig baute die USA eine Militärstation nach der anderen in Japan auf. Heute sind in Japan mehr militärische Stützpunkte der USA als in irgendeinem anderen Land der US-Verbündeten weltweit.

Obwohl die Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki global als eine einschneidende Kriegshandlung in die Weltgeschichte einging, hat es weder dazu geführt, dass sie danach nicht mehr eingesetzt werden (Tests von Atomwaffen ist ein verblendender Begriff, wenn die Bomben mit all ihren Umweltauswirkungen gezündet und damit auch eingesetzt wurden), noch dass ihre Herstellung und Besitz die Weltgemeinschaft nicht mehr bedroht.

Die USA setzte nach Hiroshima und Nagasaki nahtlos ihre Atomwaffenzündungen fort. Andere Staaten folgten. Der Besitz von Atomwaffen wurden zum Statussymbol, gingen einher mit dem Eintritt in einen exklusiven militaristischen Club, mit der Zurschaustellung von Überlegenheit und als tödliche Drohkulisse für alle, die dem eigenen Kurs in der globalen Gemeinschaft widersprechen. Nicht zuletzt ist die Atombombe ein profitables Geschäft, eine verworrene Begegnungsstätte im Schatten mit fließendem Wertesystem.

Issey Miyake ist am 05. August 2022 gestorben, ein Tag vor dem Jahrestag des Atomwaffenabwurfs. Auch die anderen Überlebenden der Atombombe sterben nach und nach. Wenn die letzte Person gestorben ist, darf ihre Geschichte nicht verloren gehen. Wir alle stehen in der Verantwortung für eine Zukunft ohne den Terror der Atomwaffen. Wir alle stehen in der Verantwortung zu einer Friedenserziehung an Schulen, an Universitäten, Zuhause, in unserer Nachbarschaft, in unserer Gesamtgesellschaft. Eine Welt ohne Atomwaffen ist eine große Aufgabe, für die wir lokal, regional, global viele Verbündete brauchen. Den Anfang machen wir mit uns selbst.

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[09.06.2023] 644

eins

zwei

und schon drei

vier

fünf, sechs, sieben, acht, neun

und sieh da zehn geschafft

am morgen glänzt tau an den blättern der sattgrünen büsche

elf, zwölf, dreizehn, vierzehn, fünfzehn und fleißig weiter bis zwanzig
morgens, mittags, nachts falten die geschickten finger
der abendhimmel ist blass, der mond spielt verstecken hinter blauen wolken

ein einsames schiff zieht leise durch die nacht
alles, was ich liebe wird weich, flüssig, vergänglich

dreihundert und vierhundert und fünfhundert flügel schlagen im wind

die dämmerung macht mich traurig

die dunkelheit lockt im dämmrigen schmerz
der mond leuchtet golden, sein licht wird am nächsten tag vergessen sein

ich habe angst, dass auch ich vergessen werde

niemand mehr weiss

wer ich bin

was mir passierte

sechshundertvierzig

sechshunderteinundvierzig

sechshuntertzweiundvierzig

sechshundertdreiundvierzig

sechshundertvierundvierzig.

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[16.05.2023] masakazu masukawa

ein fenster zur straße

draußen, donnerschlag

das glas wölbt sich

winzige splitter regnen hinein

meine oma steht am fenster

die tropfen bohren sich in ihren kleinen körper

blut spritzt aus ihrer hand

die straße füllt sich

leute, die kommen, ein merkwürdiger gang

gebeugt

sie sind bestimmt verletzt und bluten,

blut ist doch rot

von kopf bis fuss sind sie grau

vor unserem haus

haben wir blumen,

blau, rot, gelb, lila

die sind nun grau

die bombe

löscht alle farben aus

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[12.05.2023] mayumi emiko hiroko

jeden monat stehen wir vor diesem gitter

als augenzeuginnen

jeden monat schreien wir, nein

nein zu krieg vorbereiten für den frieden

nein zu einer weiteren us-militärbasis

sind wir nicht längst das militärische hinterzimmer der usa

leben wir frauen nicht täglich mit 28.000 us-soldaten

die selbst bei schlimmsten vebrechen ungestraft davon kommen

jeden monat stehen wir vor diesem gitter

aber heute schreien wir lauter

diese militärbasis nicht ausgerechnet auf den gräbern derer

die opfer des letzten krieges wurden

wir schreien, so laut wie wir können,

weil wir nicht mehr hinnehmen können,

dass der rest des landes sich vom krieg erholte,

während wir zu einer militären us-kolonie wurden

auf unserer insel sind wir

samt den korallenriffen, die unantastbar waren

samt unseren häusern, unserer kinder, den bäumen in unseren gärten, unseren blumentöpfen

samt allem an uns, um uns herum

eine brautgabe, ein unterpfand

wir träumen davon, dass unsere kinder, unsere insel ohne stracheldraht sehen

nicht die anwesenheit der us-soldaten gewährt uns den frieden

sie macht uns zum angriffsziel

versteht uns nicht falsch

wir wollen eine beziehung zu den usa

aber ohne diesen stracheldraht

nächsten monat stehen wir wieder hier

schreien so laut wie wir können

hört ihr einmal unsere stimmen

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[10.05.2023] Glück

Glück / Substantiv / Neutrum [das]

1. [ohne Plural] wenn wir aufgrund besonders günstiger Umstände – manchmal nur zufällig in einem bestimmten Land geboren zu sein – durch ein „großes, unverdientes, unverschämtes Glück“ in einer Umgebung leben, in der wir in Sicherheit leben, unser Glück ausprobieren, in der wir Pläne schmieden mit der Hoffnung auf Erfolg, unser Glück machen, es zu etwas bringen, Wünsche äußern, unser Glück herausfordern, Risiken eingehen, auf gut Glück ohne die Gewissheit eines Erfolges. Glück ab und Glück auf!

2.1 [ohne Plural] das personifiziert gedachte Glück: Kaffee am Morgen. Ein tiefer Atemzug, ein kleiner erster Schluck, das heiße Gleiten durch den Hals, die glücklich entspannten Gesichtsmuskeln.

2.2 [ohne Plural] das personifiziert gedachte Glück: Fortuna, die lieblich ist, aber von Loyalität und Bindung nicht viel hält, sie verlangt Eigenständigkeit, hab Sorge um dein Glück, geschenkt wird es dir nicht ewig. Ich fordere dich auf, sagt sie, über das Glück in Frieden zu leben nachzudenken und die Bedeutung des Wortes Frieden zu verstehen. Hast du je vollends verstanden, was für ein Glück du hast, in einem Land ohne Krieg aufzuwachsen, das seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs in Frieden lebt und welche Seltenheit das in der heutigen Welt ist?

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[28.04.2023] In Gedenken & Hoffnung

Midori Blog ist jenen gewidmet, die bei den beiden Atombombenangriffen der USA ihr Leben verloren haben und jenen, die überlebt haben; deren Kämpfe um Anerkennung ihrer Leiden bis heute andauern. Ich verneige mich vor jenen Menschen, die in zweiter, dritter und vierter Generation sich für Frieden und eine aufrechte Erinnerungskultur einsetzen. Denn Erinnern heißt verändern.

Ich verneige mich auch vor allen Menschen, insbesondere Jugendlichen, die für ihre Rechte aufstehen und sich für den Schutz und die Erhaltung der Natur in Japan, in Deutschland und auf ganzen der Welt engagieren. Umweltschutz muss aber auch die Friedensarbeit einschließen. Denn Krieg ist letzlich eines der größten Katastrophen für Mensch, Tier- und Mitwelt.

Mögen wir alle vereint erfolgreich uns dafür einsetzen, dass Atomwaffen und keine anderen Massenvernichtungswaffen jemals wieder eingesetzt werden. Mögen unsere Stimmen lauter sein, als jene, die vergessen haben, die künftigen Generation vor der Geißel des Krieges zu bewahren.

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Midori – Ausführliche Projektbeschreibung

Midori – Ausführliche Projektbeschreibung

In der aktuellen Zeit überlagern sich die Auswirkungen einer jahrelangen Pandemie, einer globalen Klimakrise sowie alter und neuer Kriege in verschiedenen Weltregionen. Während die leichtfertige Nuklearrhetorik des russischen Präsidenten die deutsche Bevölkerung verunsichert, fühlen sich Japaner*innen zusätzlich von den Militäraktionen Nordkoreas bedroht. In dieser Zeit ist es besonders wichtig, Haltung einzunehmen und Zeichen für Frieden, internationale Begegnungen und Räume für kulturellen Austausch zu eröffnen. Kein anderer Ort scheint mir dafür besser geeignet zu sein als Hiroshima und kein anderer Zeitpunkt besser als das Jahr 2023.

In diesem Jahr jährt sich die Städtepartnerschaft zwischen Hannover und Hiroshima zum 40. Mal. Städtepartnerschaften dienen der Begegnung, dem Lernen von- und miteinander. Begegnungen individuell und kommunaler Ebene können die Grundlage für dauerhaften Frieden schaffen.

Für mein Literaturprojekt Midori verbringe ich von Ende April bis Anfang Juli eine Recherchezeit in Hiroshima. Die Stadt, die jene nukleare Zerstörung erlebt hat, vor der wir uns stärker denn je fürchten müssen, werde ich mit Student*innen, Künstler*innen sowie Friedensaktivist*innen gemeinsam erkunden und mich mit ihnen über ihre Zugänge zu Erinnerungs- und Gedenkkultur austauschen. Was bedeutet heute das „Gedenken an Hiroshima und Nagasaki“? Und wer wird uns vor den – von uns selbst erfundenen – Waffen retten, wenn nicht eine neubelebte globale Friedensbewegung? Der Blog wird mit einer Instagram-Seite @projektmidori verbunden, auf der Hiroshima visuell erlebbar gemacht wird.

Nach meiner Rückkehr werde ich mindestens drei Lesungen in Hannover durchführen und stehe für Vorträge, Schreibworkshops und weitere Formen von Wissenstransfer zur Verfügung.

Dabei wird bei Midori der Fokus sich nicht auf negative Aspekte verengen. Eine ebenso wichtige Rolle spielen die Beziehungen des Menschen zu seiner Umwelt sowie Klimaschutz – Themen, die in der japanischen Gesellschaft fest verankert sind (u.a. durch den „Tag des Grüns“ am 4. Mai) und die nach der Nuklearkatastrophe in Fukushima auch zunehmend an politischer Bedeutung gewinnt. Mich interessieren dabei die Aspekte der Wertschätzung von Natur, Erhaltung und Ausbau von städtischen Lungen, der Gegensatz von Megacities und Land, sowie die Bedeutung von Natur als Orte der Besinnung, des Friedens und der Hoffnung.

Veröffentlicht unter Midori